Sektorübergreifende & interdisziplinäre Zusammenarbeit in der
Telematikinfrastruktur
Erwartungen, Anforderungen und Hemmnisse
05. JULI 2023, 11 – 15 UHR,
im Haus der Zukunft am Unfallkrankenhaus Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den letzten Jahren zeichnet sich deutlich der politische Wille ab, die Gesundheitsversorgung mittels digitaler Technologien zu verbessern. Auch die Akzeptanz unter den Leistungserbringern ist immens gewachsen. Dennoch benötigt das aktuell noch geringfügig verzahnte Arbeiten deutlich mehr Anschub über alle Sektorengrenzen hinweg. Worin liegen die Gründe für die zögerlichen Entwicklungen? Wo steht dabei die Telematikinfrastruktur und wie kann bzw. sollte sie angewendet werden?
Wir möchten dieser Thematik der sektorübergreifenden und interdisziplinären Zusammenarbeit in der Telematikinfrastruktur gemeinsam mit Ihnen auf dem kommenden Symposium am 5. Juli 2023 im Haus der Zukunft am ukb auf den Zahn fühlen. Sie sind herzlich eingeladen, gemeinsam mit unseren Referenten sowohl fachliche als auch technische Sichten zu diskutieren.
11.00 – 11.05 Uhr | Einleitung Dr. Gerd Arnold / Annett Schumann, evermind GmbH |
11.05 – 11.30 Uhr | Impuls: „Die TI-Messenger kommen – sicher chatten im Gesundheitswesen“ Timo Frank, Produktmanager TI-Messenger, gematik GmbH |
11.30 – 12.00 Uhr | Impuls: „Sektorübergreifende Versorgung: nur eine Vision oder die Selbstverwaltung im Schlafmodus?” Dr. med. Thomas Lipp, FA Allgemeinmedizin /niedergelassener Hausarzt, Vorstand, Hartmannbund |
12.00 – 12.30 Uhr | Impuls: „Kommunikation in der TI aus Sicht eines Praxisverwaltungssystem-Herstellers” Dr. Lutz Kohl, Business Development, Zollsoft GmbH |
PAUSE : Snacks und Austausch | |
13.00 – 13.30 Uhr | Impuls: „Die TI-Messenger kommen. Nur Zukunftsmusik oder ein Mehrwert für die Pflegebranche?” Björn Gorniak, Produktmanagement, Connext Communication GmbH |
13.30 – 14.00 Uhr | Impuls: „Kommunikation in der Pflege” Stoyan Halkaliev, Geschäftsführer, NursIT Institute GmbH |
14.00 – 14.30 Uhr | Impuls: „Zusammenarbeit in der TI: der Messenger in der Praxis” Dr. Niklas Zender, Geschäftsführer, Famedly GmbH |
14.30 – 15.00 Uhr | Fachliche Diskussion |
Ergebnisprotokoll 3. Fachsymposium Telemedizin: „Sektorübergreifende und interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Telematikinfrastruktur“
Impulsreferat 1: „Die TI-Messenger kommen – sicher chatten im Gesundheitswesen“, Timo Frank, gematik GmbH
In seinem Impulsvortrag geht Timo Frank, Produktmanager bei der gematik GmbH, auf den Nutzer-orientierten Ansatz der gematik ein. Deutschland sei europaweit das Land mit dem „stärksten“ Datenschutz. Zwar gäbe es schon jetzt viele Messenger, welche DSGVO-konform sind, jedoch seien diese nicht sektorübergreifend. Die Telematikinfrastruktur der gematik sei als eine Art „Arena“ zu verstehen, in welcher sich die TI-Beteiligten frei entfalten könnten. Wichtig sei hierbei vor allem der Fokus auf eine „unsichtbare“ Infrastruktur mit leistungsfähigen digitalen Lösungen, Diensten und Services. Aktuell befinde man sich in der TI-Messenger Stufe 1, die eine einfache und sektorübergreifende Ad-hoc-Kommunikation zwischen den Heilberufen ermögliche. In weiteren Stufen solle eine Kommunikation zwischen Heilberufen und Versicherten sowie ein Austausch zwischen Versicherten und Krankenkassen ermöglich werden. Stufe 3 umfasse schließlich einen Austausch per Videochat/-sprechstunden sowie Telekonsile. Bereits heute verfügbare medizinische Messenger seien nicht interoperabel, was die gematik mit einem [matrix]-Protokoll-Ansatz lösen möchte. Die Entwicklung der Services der gematik findet auch im Rahmen von sogenannten Hackathons statt, bei dem Messenger-Anbieter:innen gemeinsam an einer anbieterübergreifenden Kommunikation arbeiten. In 5-7 Jahren könnten ePA und TI-Messenger theoretisch auch „zusammen gedacht“ werden.
Impulsvortrag 2: „Sektorübergreifende Versorgung: nur eine Vision oder die Selbstverwaltung im Schlafmodus?“, Dr. Thomas Lipp, Hausarzt aus Leipzig
Dr. Thomas Lipp, Hausarzt aus Leipzig und seit 1992 in der Berufspolitik unterwegs, weist in seinem Impulsvortrag auf die Frustration innerhalb der Ärzt:innenschaft hin. Seit 31 Jahren habe sich im Rahmen der Kommunikation nichts geändert. Aufgrund des demografischen Wandels wäre die Ärzt:innenschaft mit einer enormen Krankheitslast (v.a. Tumore etc.) konfrontiert. Dies erfordere eine intensive und vor allem teure Versorgung – Deutschland weist dabei das teuerste Gesundheitswesen auf. Gleichzeitig sei man mit einem Ärzt:innenmangel bzw. einer schlechten Verteilung (vor allem in der Fläche) konfrontiert. Die Digitalisierung ginge nur schleppend voran und vor allem eine Strukturierung der Daten, um diese bspw. innerhalb von Künstlicher Intelligenz zu nutzen, sei schlicht nicht vorhanden. Ferner geht Dr. Lipp darauf ein, dass geltende Gesetze und Verordnungen sich aufgrund ihrer Fülle gegenseitig ausbremsen. Ihm zufolge müsse eine Entbürokratisierung stattfinden, um eine Orientierung auf die Nutzenden (Mediziner:innen) herzustellen, statt nur Patient:innen in den Fokus zu setzen. Eine Implementierung von Maßnahmen würde nur dann erfolgen, wenn Kosten reduziert und Nutzen erhöht werden könnten. Laut Dr. Lipp könne eine erfolgreiche Gesundheitsversorgung nur dann erfolgen, wenn Substitutionen entlang der Honorarströme erfolgen würden (aktuell werden Ärzt:innen bis zu 20% der Honorare abgezogen, wenn sie eine telemedizinische Versorgung anbieten). Eine Vision für das deutsche Gesundheitswesen definiert Dr. Lipp wie folgt: Alle zu implementierenden Anwendungen müssen einen Mehrwert haben und die Versorgenden finanziell und/oder arbeitstechnisch entlasten. Eine Intersektoralität könne nicht in der ganzen Fläche erfolgen; vielmehr sei von „Gesundheitsregionen“ zu sprechen, welche eine Gleichwertigkeit der Versorgung aufweisen. Daten müssten innerhalb der Praxisverwaltungssysteme so strukturiert werden, dass sie auch von Künstlicher Intelligenz gut nutzbar seien. Schlussendlich müsse Digitalisierung (insb. Telemedizin) finanziell nicht bestraft, sondern viel mehr belohnt werden. Abschließend zitiert er Ferdinand Galiani: „Kluge Leute sind selten mutig. Sie sind vorsichtig und maßvoll, also eigentlich feige. Wirklichen Mut haben nur die Narren“. und fordert die Anwesenden auf: Lassen Sie uns alle einen Haufen Hofnarren sein.
Impulsvortrag 3: „Kommunikation in der TI aus Sicht eines PVS-Herstellers“, Dr. Johannes Zollmannm Zollstoft GmbH
Dr. Johannes Zollmann, Gründungsmitglied und Geschäftsführer der Zollsoft GmbH, stellt in seinem Impulsvortrag die Kommunikation in der TI aus Sicht eines PVS-Herstellers dar. Hauptprodukt der Zollsoft GmbH sei hierbei tomedo®, das führende Mac-native PVS in Deutschland. Rund 8.000 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland nutzen dieses PVS, zunehmend seien auch Installationen in der Schweiz, Österreich und Spanien zu verzeichnen. Im Weiteren stellt er drei Projekte der Firma im Bereich Kommunikation in der TI dar.
„eKonsil PLUS“, ein Gemeinschaftsprojekt der AOK Plus, der KV Thüringen und der Zollsoft GmbH basiert auf dem „eArztbrief“ und ermöglich eine einfache, direkte Integration in Primärsystem einen Datenaustausch via Telematikinfrastruktur – sektorenübergreifend. Während die Konzeptionsphase etwas mehr Zeit benötigt hätte, sei der eigentliche Umsetzungsaufwand recht überschaubar gewesen. eKonsil PLUS ist ein räumlich auf Thüringen beschränktes Projekt; die Vergütung findet über eine KV-Abrechnung statt (nur AOK-Patient:innen).
Als Zweites Projekt stellt Dr. Zollmann „Telescan“ vor. Dies sei ein Gemeinschaftsprojekt im Rahmen der „elektronischen Arztvernetzung“ (eAV), an dem die AOK BaWü, der Hausärzteverband, der Mediverbund sowie zollsoft beteiligt sind. Grundidee bei „Telescan“ sei es, ein dermatologisches Telekonsil in der Hausärzt:inzentrierten Versorgung (HVZ) zu etablieren. Die Kommunikation finde über ein Hausärzt:inprüfmodul statt und sei inzwischen (auch) via KIM möglich. Außerdem kann eine eigenständige Handy-App „mitgeliefert“ werden. Die Anwendung gebe Daten im FHIR-Format aus, sodass diese dann an spezifische Personen(gruppen) verschickt werden können. „Telescan“ sei als Medizinprodukt der Klasse 2A klassifiziert. Die Vergütung erfolge über eine Pauschale, sodass der Hausarzt/die Hausärztin kein „Extrageld“ (Provision) erhalte. Aufgrund des Projektrahmens sei „Telescan“ beschränkt auf AOK-Patient:innen in Baden-Württemberg.
Als „proprietäre“ Lösung abseits der TI stellt Dr. Zollmann letztlich das Projekt „Arzt-Direkt“ vor, welches als Verbindung verschiedener Arten der Kommunikation zu verstehen sei. Es vereine Videosprechstunde, Patienten-Portal, Online-Terminbuchung und „Patient:innen-App“.
Impulsvortrag 4: „Die TI-Messenger kommen: Nur Zukunftsmusik oder ein Mehrwert für die Pflegebranche?“, Björn Gorniak, Connext
In seinem Impulsvortrag erläutert Produktmanager Björn Gorniak, dass connext bereits vor 6 Jahren damit begonnen habe, auf Basis des Matrix-Protokolls Messenger-Dienste zu entwickeln. Wichtig sei den Kund:innen (vor allem Leistungserbringer:innen), dass eine Kommunikation auf „kurzem Weg“ erfolgen könne. Auch die Verbindung von Leistungserbringenden und „Dritten“ sei wichtig. Ferner geht er darauf ein, dass trotz demografischem Wandel ein Großteil der deutschen Bevölkerung (2021 ca. 62,2 Millionen Personen) „sowieso“ ein Smartphone benutzten. Mit dem vivendi Messenger sei die connext bereits seit vielen Jahren in der Alten-, Eingliederungs- und Jugendhilfe, in Beratungsstellen und Schulen im Einsatz. Man müsse jedoch auch immer bedenken, dass diese „Rund um die Uhr“-Verfügbarkeit einen gewissen Druck auf die Belegschaft von Einrichtungen ausübe. Demnach sei es wichtig, die Vorteile der Anwendungen hervorzuheben. So könnten demnach Wegzeiten für Beteiligte reduziert und Erreichbarkeiten zentraler Ansprechpersonen erhöht werden. Messenger könnten somit einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen darstellen. Natürlich müsse jedoch die Kostenübernahme für Leistungserbringende geklärt werden.
Impulsvortrag 5 von : Stoyan Halkaliev, NursIT
–> bisher liegt uns dieser Vortrag nur Stichpunktartig als Gedächtnisprotokoll vor ….
- Nur 25% der Zeit im klinischen Umfeld wird in Patienten gesteckt, 60% Dokumentation
- Hälfte KHs keine Tools für Pflegecontrolling
- Pflegepersonal Stärkungsgesetz, Pflegepersonaluntergrenzen-VO, Pflegeberufereformgesetz, MDR-Reformgesetz, Neues Pflegepersonal-Bemessungsinstrument
- Dokumentation 1.0: Papier und Stift, 2.0 Digitalisierung, 3.0 Spezialsoftware, 4.0 Expertenplattform
- CareIT: automatischer Pflegedokumentationsprozess
- careIT Team: smarte Behandlungsdokumentation für das Behandlungsteam
- NursIT baut Anwendungen (Autos), FHIR liefert Infrastruktur (Autobahn)
- careCOM: strukturierte Daten für weitere Analysen
- nicht mit Matrix-Protokoll, sondern direkt auf FHIR-Server
Impulsvortrag 6: „Zusammenarbeit in der TI – Der Messenger in der Praxis“, Dr. med. Niklas Zender, Famedly
Einen letzten Impulsvortrag liefert Dr. med. Niklas Zender, welcher 2019 die Famedly GmbH mitgegründet hat. Um mehr Zeit für Patient:innenpflege, ein vernetztes Gesundheitswesen und den Schutz sensibler Daten zu gewährleisten, habe es sich die Famedly zur Aufgabe gemacht, einen TI-Messenger (für Kliniken) zu entwickeln. Einen rechtssicheren Rahmen habe man nur eine Zertifizierung der gematik erreicht. Der Funktionsumfang des Famedly-Messengers orientiere sich dabei an denen des Whatsapp-Messengers, welcher einer Umfrage zufolge sowieso von fast 50% der Mitarbeitenden in Klinik im privaten Umfeld genutzt würde. Laut Dr. Zender sei es bei der Entwicklung des Messengers, welcher eine Matrix-Technologie nutzt, besonders wichtig, Prozesse über FHIR so zu denken, dass sie flexibel anpassbar seien. Darüber hinaus müsse eine eindeutige Identifikation sichergestellt werden. Der Messenger ermögliche auch einen Datenversand. Hierbei sei mit dem Personalrates der Klinik zu klären, ob Mitarbeitende dabei ihre eigenen Devices (Handys) nutzen können/müssen, oder ob diese von der Einrichtung gestellt werden können. Ebenso habe jede Klinik die Wahl, einen Content-Scanner „dazwischenzuschalten“, um den Versand von Schadsoftware zu vermeiden.
Allgemeine Diskussion:
In der anschließend an die Impulsvorträge stattfindenden Diskussionsrunde wird die Frage nach der eindeutigen Identifizierung von Patient:innen erneut aufgeworfen. Eine Möglichkeit hierfür wäre die Nutzung der Steuer-ID, da diese die einzige Identifikationsmöglichkeit sei, die einem bei Geburt zugewiesen und ein Leben lang gültig sei. Es wird darauf eingegangen, dass die Kommunikation innerhalb von PV-Systemen ja bereits heute gegeben sei, es aber bei der Kommunikation untereinander hake. Es wird die Frage aufgeworfen, welche Use-Cases sich Ärzt:innen eigentlich für die Implementierung von Messengern wünschen und ob eine Intersektoralität überhaupt so weit gedacht werden müsse bzw. ob eine „dauerhafte Erreichbarkeit“ überhaupt erstrebenswert sei. Es wird betont, dass Anwendungen erst dann einen Mehrwert hervorbringen würden, wenn eine Implementierung auf allen Ebenen stattfinde; vor allem für den ambulanten Sektor fehle es an Mehrwert. Ein Teilnehmender merkt darüber hinaus an, dass bisher kaum an die Barrierefreiheit der digitalen Lösungen gedacht würde. Dem stimmen einige zu; hält eine „Mitnahme“ der initial ausgeschlossenen Personen(gruppen) aber auch generell für schwierig, da sie keinen Zugang zur Technologie haben. Letztlich wird herausgestellt, dass aktuell generell viel „von oben“ spezifiziert würde, ohne es vorher auszuprobieren, was wiederum die Umsetzung in der Praxis erschwere (da kein Mehrwert erkennbar sei).
Hinweise und Fragen zur Veranstaltung(sreihe) richten Sie bitte an: veranstaltung@evermind.de oder info@regionalmanagement.eu
VERANSTALTUNGSORT:
Smart Living & Health Center e.V.
Blumberger Damm 2k
12683 Berlin
Wir danken an dieser Stelle auch den Kolleg:innen des Smart Living & Health Center e.V., dass wir alle Veranstaltungen bisher im Haus der Zukunft erfolgreich veranstalten durften.